Kaum einem anderen Team waren in der Free Agency die Hände so gebunden wie den Minnesota Wild.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wirft einen Blick auf die bisher wenigen Aktivitäten und was sie für Marco Rossi bedeuten:
Wer ist neu?
Wie gewohnt muss man bei den Wild festhalten: Wo andere Teams unter der Gehaltsobergrenze mit 83,5 Millionen Dollar agieren, sind es in St. Paul durch die Buyouts für Zach Parise und Ryan Suter knapp 15 Millionen weniger.
Für große Namen war daher natürlich kein Geld da. Vinni Lettieri ist schon seit Jahren ein überragender AHL-Forward (und in dieser Liga auch der bestbezahlte Spieler), konnte sich in der NHL aber weder bei den Rangers, den Ducks oder zuletzt in Boston festsetzen. Seine 775.000 Dollar pro Saison sind der gleiche Betrag wie der für Jake Luccini, ebenso ein AHL-Forward mit nur wenig NHL-Erfahrung.

Der einzige wahre neue NHLer bei den Wild ist Pat Maroon, der in einem Trade (fast ohne Gegenwert) aus Tampa Bay kam. Der NHL-Strafbankkönig der letzten Saison soll Ryan Reaves (jetzt in Toronto) ersetzen, für Abschreckung beim Gegner und Stimmung in der eigenen Kabine sorgen. Die Lightning übernahmen sogar noch 20 Prozent von Maroons Gehalt, die Wild brauchen nur 800.000 Dollar veranschlagen - es kommt eben auf jeden Cent an!
Wer ging?
Neben Reaves gleich drei der vier Schweden, die erst zur letzten Trade Deadline kamen: John Klingberg (Toronto), Gustav Nyquist (Nashville) und Oskar Sundqvist (St. Louis) fanden neue Arbeitgeber. Lediglich Marcus Johansson bekam frühzeitig einen neuen Zwei-Jahres-Vertrag.
Ebenfalls ohne neuen Kontrakt: Sam Steel, der nun in Dallas spielt und Mason Shaw, der mit seinem vierten Kreuzbandriss aber ohnehin zu Saisonstart nicht fit ist. Vielleicht findet sich in einigen Monaten noch etwas Kleingeld in der Kasse von GM Bill Guerin für den beliebten Energieflügel.
Wie geht es weiter bei den Wild?
Zwei Minor Leaguer und ein Viertlinien-Muskelmann kamen, einige Bottom-6-Spieler gingen - viel ist also bisher nicht passiert. Wie es genau weitergeht, entscheidet sich auch erst bis zum Kassasturz Anfang August. Dann weiß Guerin nämlich, was er für seine RFAs Calen Addison, Brandon Duhaime und Goalie Filip Gustavsson veranschlagen muss.
Diese drei Spieler ohne Anschlussverträge sind aber völlig verschiedene Fälle: Bei Addison, dessen Offensive seine defensiven Aussetzer nicht wettmachen können, ist es fraglich, ob seine Zukunft überhaupt in Minneapolis liegt. Ein Trade seiner Rechte würde nicht überraschen. Bei Verbleib kann er einen neuen Kontrakt im Bereich von 800.000 Dollar bis einer Million erwarten.
Duhaime zog vors NHL-Schiedsgericht, wie meist kam es aber gar nicht zur Verhandlung. Sein neuer Ein-Jahres-Vertrag bringt ihm 1,1 Millionen Dollar ein.

Der Casus knacksus für die Wild ist aber der neue Kontrakt für Gustavsson. Dass sich seine bisherigen 787.500 Dollar pro Saison vervielfachen, ist klar, aber um welchen Faktor? Die Wild müssen sicher mit mehr als drei Millionen pro Saison rechnen, das Gustavsson-Lager könnte eine "4" als erste Zahl anstreben. Auch hier ist eine Übereinkunft vor der anberaumten Verhandlung am 4. August zu erwarten.
Sollte Addison bleiben, Rossi (oder ein anderer AHL-Crack) und Faber im Opening-Lineup stehen, haben die Wild noch circa 4,5 Millionen bis zur Cap-Decke zur Verfügung, allerdings eben ohne Gustavsson.
Wie ist die Lage für Marco Rossi?
Nicht viel anders als zu Beginn der letzten Saison, eher noch verbessert. Steel, der sich im Lineup lange festklammen konnte und öfters als Center auflief, ist weg. In der Mitte bleiben damit noch Joel Eriksson Ek, Frederick Gaudreau, Ryan Hartman und Connor Dewar übrig, die letzten drei können auch am Flügel auflaufen. Wenn Lettieri und Luccini nicht im Camp überraschen, wären die nächsten Stürmer-Nachrücker Sammy Walker und Adam Backman - beides aber Flügel. Nick Petan ist seit Jahren ein Springer, Pavel Novak wird nach seiner Krebsgenesung sicher noch Zeit brauchen.
Rossi wäre schon aus finanziellen Gründen als Stammspieler für die Wild viel wert - er und Defender Brock Faber (schaffte den Übergang vom College bis in die NHL-Playoffs spielend) sind Cracks mit Entry-Level-Deals, daher sehr kostengünstig.
Aber natürlich hoffen die Wild bei Rossi mehr als auf einen billigen Ergänzungsspieler - Quantität auf der Centerposition ist weiter da, zusätzliche offensive Qualität wird aber weiter gesucht. Und man überlässt nichts mehr dem Zufall: Nach der WM kam Rossi bis auf eine kleine Ruhepause den Wild-Fitnesscoaches nicht mehr aus - sowohl in Vorarlberg als auch in Minneapolis, wo er seit Mitte Juni trainiert und dort auch bis zum Camp-Beginn bleiben wird.
Erst eine Änderung im Agreement zwischen der NHL und der Spielergewerkschaft im heurigen Sommer machte eine derartige Rundumbetreuung möglich. Rossi gilt natürlich als eigenmotivierter und harter Trainierer, nur: Es geht endgültig darum, sein Spiel auf NHL-Niveau zu heben.
Ohne dass die Wild es so sagten, aber vor allem das Skating ist hier der Kernpunkt. Stichworte Agilität, Mobilität, Antritte und vor allem das, was neuerdings mit dem Modewort "Twitchiness" beschrieben wird - diese kurzen Muskelzuckungen, mit denen sich Spieler auf engstem Raum kleine Vorteile verschaffen und die vor allem für kleinere Forwards überlebenswichtig sind.
Rossis Spiel basierte immer darauf, dass er das Eis sieht und schnelle Entscheidungen treffen kann. In der NHL allerdings werden die Räume nochmals kleiner, die Reichweiten der Gegner noch größer und die Zehntel-Sekunden für Entscheidungen zu Hundertstel.
Diese kleinen Nachteile aufzuholen oder sie gar in Vorteile umzudrehen, wird über Rossis Rolle in der nächsten Spielzeit entscheiden. Guerin wird hier sicher zu Saisonbeginn Geduld an den Tag legen, die finanzielle Englage lässt auch keine große Hilfe von außen auf der Centerposition erwarten…